Vorwort
In einer sich ständig wandelnden Gesellschaft, mit einer Vielfalt von Lebensentwürfen und Sinnangeboten suchen Menschen verstärkt nach Formen geistlicher Begleitung als Hilfe auf ihrem persönlichen Lebens- und Glaubensweg. Der Begriff "geistliche Begleitung" selbst wird dabei inzwischen für unterschiedlichste - auch nichtkirchliche und nichtchristliche - Angebote gebraucht. Auf diesem Hintergrund beschreiben die vorliegenden "Standards geistlicher Begleitung", welches Verständnis diesem spezifischen Dienst zugrunde liegt und in welchem Rahmen er im Bistum Würzburg angeboten wird. Damit geben die Standards eine Orientierung für diejenigen, die diesen Dienst ausüben ebenso wie für Menschen, die geistliche Begleitung suchen.
Profil
Geistliche Begleitung ist eine Form der Einzelseelsorge, die sich auszeichnet durch ihre Kontinuität und ihre Ziele. Sie versteht sich als regelmäßige Begleitung über einen längeren Zeitraum.
Geistliche Begleitung ist angelegt auf eine persönliche Gottesbeziehung des/der Begleiteten in einem ganzheitlichen Wachstums- und Reifungsprozeß.
Traditionslinien geistlicher Begleitung:
Die Grundlage Geistlicher Begleitung auf dem Weg zur Begegnung mit Gott ist seit dem alten Mönchtum die Unterscheidung der Geister. Sie ist geprägt durch das Gespräch zwischen „Altvater“ und „Schüler“. Von dieser Basis ausgehend hat die monastische Tradition unterschiedliche Ansätze und Leitmotive Geistlicher Begleitung hervorgebracht. Beispielhaft seien genannt:
- Geistliche Begleitung als Angebot benediktinischer Gastfreundschaft lädt den einzelnen ein, Gott in Gemeinschaft zu suchen.
- Die franziskanische Tradition ist geprägt von der grundlegenden Bedeutung des Evangeliums als der Lebensregel eines Christen. Die Begleitung ist darauf ausgerichtet, den Menschen zu öffnen für die Nähe Gottes in der Schöpfung, in den Armen und im geschwisterlichen Miteinander.
- Karmelitanische Tradition mit ihren Wurzeln im Einsiedlerleben pflegt in besonderer Weise die persönliche Freundschaft mit Gott. Im inneren Beten und Hören auf die Führung des Geistes bereitet sich der Mensch für die Berührung durch den innewohnenden Gott.
- In der dominikanischen Tradition gibt die Predigt zum Heil der Menschen das im Herzen Erfahrene weiter. Ziel ist es, zwischen Gott und dem Menschen in seiner Lebenswirklichkeit zu vermitteln.
- Die ignatianische Tradition erstrebt die Einheit von Leben und Glauben im Hören und Antworten auf den Ruf Christi. Die Entschiedenheit, „Gott in allem zu suchen und zu finden“ setzt die Haltung der Offenheit und Verfügbarkeit (Indifferenz) voraus, um in der Unterscheidung der Geister den Willen Gottes zu erkennen.
- Auch in den sog. geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen gewinnt Geistliche Begleitung immer mehr an Bedeutung.
Geistliche Begleitung heute:
Geistliche Begleitung geht von der Annahme aus, dass Gott jeden Menschen beim Namen ruft – auf einen je eigenen Weg. Diese Berufung gilt es zu entdecken und zu beantworten.
Geistliche Begleitung nimmt das Leben des Menschen in seiner gesamten Wirklichkeit in den Blick. Ausgangspunkte einer Begleitung können u.a. sein: bestimmte Lebensphasen und Entscheidungssituationen, Krisen und Umbrüche, der Wunsch nach einer bewusst geistlichen Gestaltung des persönlichen Lebens.
Geistliche Begleitung ist eine gemeinsame Suchbewegung des/der Begleiteten und des Begleiters/der Begleiterin. Dabei achtet der Begleiter/die Begleiterin darauf, nicht zu manipulieren.
Gegenstand der Geistlichen Begleitung ist in erster Linie das, was der/die Begleitete von sich aus einbringt.
Geistliche Begleitung geschieht in absoluter Diskretion und respektiert die Freiheit und Einzigartigkeit des/der Begleiteten.
Ziele
Geistliche Begleitung ermutigt und hilft,
- das Wirken des Geistes Gottes auf dem eigenen Lebensweg zu entdecken und zu bejahen;
- Hilfen und Hindernisse auf diesem Weg wahrzunehmen und zu erkennen;
- neue Schritte auf dem eigenen geistlichen Weg zu wagen;
- das persönliche Gebet zu vertiefen und die persönliche Christusbeziehung zu verlebendigen;
- die Gemeinschaft der Kirche als Lebensraum zu erschließen und aus der schöpferischen Kraft des Wortes Gottes und der Sakramente das Leben zu gestalten.
Voraussetzungen für Geistliche Begleiter/Begleiterinnen
Der Dienst der Geistlichen Begleitung gründet in der gelebten Praxis eines eigenen geistlichen Lebens, der persönlichen Berufung zu diesem Dienst, sowie in der Nachfrage durch andere. Neben diesen Aspekten der Selbstüberprüfung gelten für Geistliche Begleiter/innen folgende nachprüfbare
a) persönliche Voraussetzungen:
- eigenes Begleitetwerden
- kontinuierliche eigene Erfahrung in Einzelexerzitien
- abgeschlossener Ausbildungskurs oder anderweitig erworbene Befähigung zur Geistlichen Begleitung
- Offenheit für die Unterschiedlichkeit geistlicher Wege
- Erkennen von Grenzen der konkreten Begleitung und ggf. Verweis auf andere Formen (z.B. Psychotherapie, Supervision, Beichte)
- bewußte und verantwortete Solidarität mit dem Leben und der Praxis der Kirche
- Verschwiegenheit und Diskretion
b) formale Voraussetzungen:
- Anerkennung der Standards
- Diözesane Beauftragung (s. unten: "Rahmenbedingungen")
- regelmäßige Fortbildung und Praxisbegleitung bzw. Supervision
Rahmenbedingungen
a) Bei Personen im pastoralen Dienst der Diözese erfolgt eine Beauftragung zur Geistlichen Begleitung durch die Aufnahme dieser Tätigkeit in die Arbeitsumschreibung. Dies geschieht in Absprache mit dem jeweiligen Dienstvorgesetzten, dem Leiter des Referats Geistliches Leben und dem Leiter der Hauptabteilung Seelsorge. Der Dienst der geistlichen Begleitung wird von diesen Personen im Rahmen ihres besoldeten Angestelltenverhältnisses ausgeübt.
b) Personen, die nicht im pastoralen Dienst angestellt sind, erhalten eine offizielle Beauftragung zur Geistlichen Begleitung durch den Leiter der Hauptabteilung Seelsorge in Absprache mit dem Leiter des Referats Geistliches Leben. Die Beauftragung zur Geistlichen Begleitung auf der Grundlage dieser Standards erfolgt durch den Leiter der Hauptabteilung Seelsorge in Absprache mit dem Leiter des Referats Geistliches Leben. Wer eine/n von der Diözese beauftragte/n Geistliche/n Begleiter/Begleiterin wählt, der/die nicht in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis steht, kann für ggf. entstehende Kosten einen Zuschuss beim Referat Geistliches Leben beantragen.
Beauftragungen werden auf 5 Jahre befristet ausgesprochen, mit der Möglichkeit der Verlängerung.
Die Beauftragten bilden das „Forum Geistliche Begleitung“ im Bistum Würzburg. Die Sicherung und Fortentwicklung der Standards obliegen dem Referat Geistliches Leben. Es ermöglicht im Zusammenwirken mit dem „Forum Geistliche Begleitung“: Praxisbegleitung, kollegiale Beratung, Koordination und Vermittlung von Geistlicher Begleitung im Bistum. Das Referat Geistliches Leben trägt Sorge für Aus-, Fortbildungs- und Supervisionsangebote für die Geistlichen Begleiter/Begleiterinnen der Diözese.
In Kraft gesetzt am 24.05.2007 durch
Domkapitular Hans Herderich, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge | Domvikar Paul Weismantel, Bereichsleiter Geistliches Leben